Wo geht die Reise hin, Firefox?
Mein neuer, alter Lieblingsbrowser steckt in der Krise. Aber warum?
Der Firefox hat sich verlaufen
Ein klein wenig aufgeschreckt war ich schon, als ich über diesen Artikel in Cashy’s Blog gestolpert bin. Da liest sich die Überschrift mit „Firefox mit historischem Tief“ schon wie der Beginn einer Geschichte, die nicht gut ausgehen wird. Nicht nur der Artikel liest sich für mich besorgniserregend, es waren vor allem die Kommentare darunter. Von schlechten Erfahrungen bis Häme ist alles dabei, was man aktuell in Kommentarsektionen vorfinden kann.
Also ist es an der Zeit zu schauen, wie der aktuelle Stand ist und was man daraus ableiten kann.
Ich will das so machen, wie der alte Tacitus: ‚sine ira et studio‘ – ohne Zorn und Eifer.
Ein Tiefstand folgt dem Anderen
Die Zahlen selbst lesen sich nicht gut. Haben sich im Jahr 2024 um den Juli herum noch gut 155 Millionen Menschen vom Feuerfuchs durch das Internet leiten lassen, waren es im Juli 2025 nur noch etwas mehr als 149 Millionen. Nun mag man den Verlust von 6 Millionen Usern noch unter „Schwund ist immer“ abtun, aber so einfach ist das leider nicht. Dieser Schwund ist ein Trend, der sich seit Jahren fortsetzt.
Je nach herangezogener Statistik beschreibt diese User Basis einen Marktanteil von 6 – 7 %. Hier kommt es sehr auf den Markt an. Für einen kostenlosen Browser, den es schon seit 2002 gibt, ist das sehr wenig, viel zu wenig. Im Jahre 2009 lag dieser mal bei 32 %. Was ist da schiefgelaufen?
Kurz mal in den Meckermodus
Ich nutze den Firefox seit der Zeit, als der noch Phönix hieß praktisch nur ein umgebauter Netscape Navigator war. Aber lassen wir die Geschichte einmal beiseite, denn die nützt uns gerade nichts.
Ich fasse einmal meine Kritikpunkte zusammen, die ich so, oder so ähnlich, in allen Ecken des Internets wieder finde:
Der Fuchs fühlt sich mal wieder zu alt an
Der Firefox hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Diese hat man ihm mal mehr und mal weniger angemerkt. Dadurch der Browser immer wieder aus der Zeit gefallen und hatte dann alle Mühe, wieder den Anschluss zu finden. Es ist ihm aber immer wieder gelungen. Als Google seinen „Chrome“ Browser vorstellte, war dieser gefühlt schneller, schlanker und moderner. Es war den Entwicklern aber durchaus gelungen, den durch andere Browser verursachten Rückstand aufzuholen.
Jedoch nicht mehr in letzter Zeit. Der Firefox fühlt sich altbacken an, sowohl in Bezug auf die UI, als auch beim technischen Unterbau. Von den Schwierigkeiten, einige (wenige) Websites richtig zu rendern, fange ich besser nicht an, das war schon öfters ein Problem.
Die Android App ist ein Graus
Ich habe es immer sehr geschätzt, dass ich Passwörter, den Verlauf, Lesezeichen und offene Tabs geräteübergreifend synchronisieren konnte. Da fiel meine Wahl auf Android natürlich auch auf den Firefox. Hier fühlt er sich aber noch älter an, als auf dem Desktop. Zudem habe ich auf noch mehr Websites Probleme mit der Darstellung. Ich musste zwangsweise auf Brave wechseln.
Immer wieder neue Dienste
Mit der Zeit hat der Firefox neue Funktionen integriert und sie dann irgendwann wieder verschwinden ließen. Zuletzt hat es „Pocket“ getroffen. Hier konnte man Websites speichern, die man sich erst später zu Gemüte führen wollte. Das habe ich nie genutzt, da ich das auch nie vermisst habe. Kern des Problems ist für mich, dass ein neuer Dienst ungefragt installiert wurde, den ohnehin schon nicht so schnellen Browser wieder etwas langsamer gemacht hat, nur um dann ein paar Jahre später abgekündigt zu werden. Das riecht ein wenig nach Ressourcen, die nicht optimal eingesetzt wurden und werden.
Google, immer wieder Google
Die Firma hinter der (einst?) allmächtigen Suchmaschine hat mit dem ‚Chrome‘ einen mächtigen Gegenspieler aufs Feld geschickt. Der ist nicht nur mühelos bei den Marktanteilen vorbeigezogen, er führt unangefochten. Das allein ist kein Problem. Das Problem entsteht aus der finanziellen Abhängigkeit. Die Suchmaschine „Google“ ist als Standardsuche vorausgewählt. Auch das ist kein Problem, man kann diese jederzeit ändern. Der Konzern zahlt für die Vorauswahl aber eine nicht unerhebliche Summe, woraus sich eine Abhängigkeit ergibt. Solche finanziellen Abhängigkeiten sind dann das eigentliche Problem.
Es wird noch ein klein wenig schlimmer
Im Browsermarkt darf es keine Konzentration geben. Das ist uns bereits mit dem Internet Explorer auf die Füße gefallen. Nachdem dieser den Markt dominiert hat, kam es praktisch zu einem Entwicklungsstillstand für mehrere Jahre. Auch Google nutzt(e) sein Monopol, um dem Internet immer wieder seinen Stempel aufzudrücken.
Hier kommt nun die schlechte Nachricht: Dein Ad-Blocker wird möglicherweise nicht mehr funktionieren, oder nicht mehr so viele Ads blocken, wie du es gewohnt bist. Grund hierfür ist, dass Google das Manifest V3 eingeführt hat. Ganz grob legt dieses Manifest fest (hihihi), wie Add-ons wie zum Beispiel Ad-Blocker mit der angezeigten Internetseite interagieren dürfen. Da das Manifest V3 sehr viel stringenter ist, haben Ad-Blocker schlechte Karten. Im schlimmsten Fall funktionieren sich gar nicht mehr.
Google argumentiert, dass diese Änderungen den Datenschutz und die Sicherheit der Anwender erhöht. Kritiker sehen hierin den Versuch, die eigenen Werbeeinnahmen zu schützen, oder sogar zu erhöhen.
Diese Änderung trifft nicht mehr nur auf Chrome zu. Sie wird sich auch auf alle die Browser auswirken, die auf Chrome (genauer Chromium) basieren. Neben dem bekannten „Brave“ Browser ist das zum Beispiel auch der Microsoft Edge. Ist der jeweilige Anbieter des auf Chromium basierenden eigenen Browsern also nicht gewillt, sich ganz von der Entwicklung abzuspalten, wird dieser über kurz oder lang auch das Manifest 3 übernehmen müssen. Die Pflege einer Rendering-Engine für den Browser ist aufwendig und teuer.
Und hier kommt der Firefox ins Spiel. Dieser nutzt mit „Gecko“ seinen eigenen Renderer, also einen selbst entwickelten Unterbau. Man muss also nicht den Launen folgen, die Google vorgibt. Das hat zufolge, dass man Manifest V3 zwar einführen wird, aber Manifest V2 weiterhin parallel nutzt. In diesem Artikel erklärt Mozilla sein Vorgehen im Bezug auf das Manifest: „So geht Mozilla an Manifest V3 heran: Was ist anders und warum ist das für Nutzer von Erweiterungen“ wichtig?
Und das ist der Grund, warum wir einen Browser wie Firefox brauchen. Es geht nicht nur um Ad-Blocker, die meiner Meinung nach allein schon das Internet sicherer machen. Es geht um all die Add-ons, die das Tracken unseres Surfverhaltens erschweren oder sogar unmöglich machen. Es geht um Add-Ons, die unsere Anonymität im Internet erhöhen und die Datensammelwut mancher Unternehmen und Institutionen einschränken.
Wie soll es weitergehen?
Wir brauchen Firefox. Dafür muss dieser Browser wieder besser werden. Daher habe hier meine kleine Wunschliste zusammen gestellt, mit der alles besser und vielleicht auch die Welt gerettet wird.
Volle Konzentration auf die Entwicklung des Browsers. Der technische Unterbau muss entrümpelt und erneuert werden. Features wie ein E-Mail-Relay-Server, VPN, Pocket usw. sind wichtig und richtig. Aber vielleicht sollte man so etwas in die Abteilung Add-ons auslagern. Hier kann dann die Community fleißig bei der Entwicklung mithelfen. Solche Dienste können dann gerne unter „Essential Add-ons“ prominent beworben werden. Der Browser selbst sollte aber schlank und schnell sein und muss sich auf allen Plattformen anfühlen, als wäre der Fuchs auf Schlittschuhen unterwegs.
Mobile first. Das Internet wird vornehmlich mobil genutzt. Die Apps für iOS und Android müssen modernisiert werden. Es ist natürlich herausfordernd, mit den recht kurzen Innovationszyklen der mobilen Betriebssysteme mitzuhalten. Aber das ist ein Kampf, den man führen muss, wenn man bei den Marktanteilen wieder oben mit spielen will.
Die Finanzierung muss umgestellt werden. Irgendwie. Die Fokussierung auf Google hat einiges an Geld eingebracht, aber ebenso kamen Abhängigkeiten dazu. Diese nun zu diversifizieren, wird sicher keine leichte Aufgabe. Ob nun durch Werbung, öffentliche Förderungen, Fundraising im Wikipedia Stil – Ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, es gibt kluge Köpfe, die dabei helfen können, die Finanzierung des Projekts auf eine breitere und damit sicherere Basis zu stellen.
Es muss auf die User gehört werden. Ja, diese meckern viel und gerne, aber in vielen Punkten besteht überraschend viel Einigkeit. Wenn sich die Entwicklungsschwerpunkte näher an die Wünsche der User anlehnen, wird sich das sicherlich auch bei den Marktanteilen bemerkbar machen.
Diese Liste ist keineswegs vollständig. Ich wünsche mir ein viel besseres Tabs-Session-Management, Seiten-Isolation in der Android-App und noch einiges mehr, aber viele solcher Features sind den Entwicklern bereits bekannt oder befinden sich schon in Entwicklung. Aber in diesem Artikel wollte ich bewusst einen Blick auf das große Ganze werfen.
So, und nun?
Ich mag Firefox und nutze ihn nach wie vor gerne. Vor allem die Einführung des Manifest V3 hat meine Entscheidung zementiert, erst einmal keinen anderen Browser in Betracht zu ziehen. Ich kann den Schwund an Usern und die teils harsche Kritik am aktuellen Zustand und der Entwicklung jedoch nachvollziehen.
Viele der von mir angesprochenen Kritikpunkte sind daher auch nicht neu. Viele User des Firefox geben oft und viel Feedback zurück an Mozilla. Mein Wunsch, welcher zugleich meine Hoffnung ist, ist, dass die immer wieder hervorgebrachten Kritikpunkte angegangen werden.
Ein freies und sicheres Internet braucht Pluralität, ganz besonders, wenn es um Webbrowser geht. Wir sollten eigentlich mehr aus dem Monopol des „Darth Internet Explorers“ gelernt haben.
Ich bin sehr gespannt, wie diese Story weiter gehen wird.