Post

New Music Friday für Selbsthoster

Neue Musik für sich zu finden ist nicht schwer, aber es kostet Mühe. Hier sind ein paar Tipps von mir.

New Music Friday für Selbsthoster

Wo sind sie, die hidden Gems?

Viele Dinge haben sich für mich verbessert, seit ich angefangen habe, alles, was mir wichtig ist, selbst zu hosten. Meine Geldbörse ist mir besonders dankbar, auch wenn sie mich auch daran erinnert hat, dass die Hardware für den ganzen Spaß auch nicht umsonst war. Da wäre zum Beispiel das gute Gefühl, dass meine Daten wirklich wieder nur mir gehören. Vieles hat sich auch deutlich verbessert. Nehmen wir zum Beispiel „Immich“. Diese App bietet mir mehr Komfort, als ich je bei Google Photos hatte. Oder mein selbst gehosteter „Passwortmanager Vaultwarden“, der mich zukünftig nicht mit neuen Abo-Modellen und anderen Überraschungen nerven wird.

Es gibt aber auch ein paar Dinge, die schlechter geworden sind. Oder besser beschrieben, die ich vermisse. Dazu gehören auf jeden Fall die automatisch erstellten Playlists von Spotify. Wer den Musikdienst aus Schweden kennt und nutzt, wird sicher auf diese gestoßen sein. Da wäre zum Beispiel die titelgebende Playlist „New Music Friday“. Magische Algorithmen analysieren meinen bisherigen Verlauf an gehörten Titeln und schlagen mir auf dieser Basis neue Musik vor. Zu 95 % lag der magische Algorithmus zielsicher daneben. Aber in den übrigen 5 % habe ich immer einmal wieder Perlen entdeckt, die meinen Erfahrungshorizont erweitert haben.

Nun ist es so gekommen, dass ich auch meine Musik wieder selbst hoste. Dienste wie Spotify fielen folglich für mich weg und damit auch der Quell der Inspiration für neue Musik. Dieses Problem bin ich angegangen und habe Lösungen gefunden. Diese sind längst nicht so bequem wie die der Großkonzerne. Aber manchmal brauchen gute Resultate ein wenig Fleiß.

Bevor ich loslege: In diesem Artikel geht es nicht darum, wie man neue Musik findet, herunterlädt und selbst hostet. Es geht darum, wie man für sich neue Musik entdecken kann, die man mag. Ich möchte keine falschen Erwartungen schüren.

Also schnappe ich mir eine heiße Tasse Tee und mache mir meinen eigenen „New Music Friday“.

Scrobbeln, das gibt es noch? :O

Es muss zu Zeiten gewesen sein, als Seiten wie MySpace populär waren, als alle Welt der Welt mitteilen wollte, was sie gerade so hörten. Dazu wurde der eigene Musikdienst mit einem Scrobble-Dienst verbunden. Jeder Track, den man in seinen Gehörgang einleitete, fand so seinen Weg dann auch in das Internet. Nicht nur konnte man seinen Freunden sichtbar machen, was man gerade hörte, man bekam auch eine Historie der Musik, die man so konsumierte.

Worte wie MySpace und scrobbeln sind inzwischen Internet-Archäologie. Zumindest eine Komponente dieser Urzeit-Dienste existiert noch, das scrobbeln. Es ist also immer noch möglich, den Verlauf der gehörten Musik an einen Dienst zu senden, der dies dann brav für einen speichert. Auf Wunsch kann man diesen Verlauf immer noch mit seinen Mitmenschen teilen, auch wenn es wohl nicht mehr so viele interessieren wird, wie zu Zeiten von MySpace.

Ich scrobble zu zwei Diensten: Last.FM und ListenBrainz. Beide Dienste lassen sich kostenlos nutzen. Viele Funktionen versteckt Last.FM jedoch hinter einer Bezahlschranke. Aber das ist nicht weiter wild, denn trotzdem bekommt man nach ein paar Scrobbles bereits Empfehlungen für Musik, die einem gefallen könnte. Auf Wunsch kann man sogar direkt herein hören.

ListenBrainz nutze ich sehr gerne. Der Dienst erstellt auf Wunsch und ähnlich zu Spotify Playlists wie „Daily Jams“ und „Weekly Listenings“. Mit denen kann ich aktuell aber nicht so viel anfangen, da ich sie nicht importieren kann. Besser finde ich die „Fresh Releases“. Hier erfahre ich nicht nur von neuen Veröffentlichungen der Künstler, die ich gerne höre. Ich entdecke hier auch Releases von Künstlern, die ich bisher nicht gehört habe. Und das war genau das, wonach ich gesucht habe. Auf Wunsch kann ich hier ebenfalls herein hören, ob es mir gefällt.

Die Fresh Releases von ListenBrainz Neue und zukünftige Releases von Künstlern, die ich mag oder mögen könnte (Screenshot: Markus Daams / 2025)

Die Tipps werden besser, je mehr man scrobbelt. Außerdem ist es faszinierend, wie sehr sich der eigene Musikgeschmack ändern, oder auch nicht ändern kann, je mehr Wasser die Elbe herunterfließt.

Rate your Music

Als mir klar wurde, dass nichts und niemand mehr Playlists für mich erstellen würde, begann ich mich selbst auf die Suche nach neuer Musik zu machen. Eine der ersten Seiten, auf die ich dabei gestoßen bin, war rateyourmusic.com. Es handelt sich um eine riesige Musikdatenbank und eine Online Community, die vermutlich von derselben Energie getrieben ist, wie ich.

Auf rateyourmusic.com finden sich nicht nur vergangene und aktuelle Releases von Künstlern aus aller Welt, diese Releases können auch bewertet werden. Es gibt die Möglichkeit, gezielt nach bestimmten Genres zu suchen. Wer, wie ich, einen sehr breiten Musikgeschmack hat, freut sich sicher darüber, dass auch zahlreiche Sub-Genres abgebildet sind. Eine Musikrichtung wie „Electronic“, kann bis zu 800 Sub-Genres haben. Eine Aufteilung erleichtert die Suche enorm, wie ich finde. Ich kann also auf diese Seite gehen, suche nach meinen bevorzugten Genres, und schaue nach, was andere so toll finden.

Ein weiteres Feature ist, dass die Suche auf bestimmte Zeiträume eingegrenzt werden kann. Musik verändert sich über die Zeit und da kann es nützlich sein, nach den besten „Vocal Trance“ Alben in den Jahren 2000 – 2010 zu suchen. Mit weiteren Sortieroptionen wie „Top“, „Popular“ usw. lassen sich die Suchergebnisse dann noch granularer gestalten.

Sortieroptionen auf rateyourmusic.com Hinter der Option Esoteric verstecken sich manchmal versteckte Perlen (Screenshot: Markus Daams / 2025)

Klar, so eine Suche kostet Zeit. Aber ich habe hier schon einige echte Schätze entdeckt, die Spotify mir in 8 Jahren Nutzung irgendwie immer vorenthalten hatte.

Album des Jahres!

In dieselbe Kategorie fällt auch albumoftheyear.org. Diese Seite bietet folglich ebenfalls eine sehr umfangreiche Übersicht vergangener und aktueller Releases. Dazu kommen Bewertungen von Usern, aber auch Kritikern. Nach diesen lässt sich dann auch gezielt suchen und sortieren.

Die Suche ist insgesamt sehr umfangreich und granular. Ich kann nach dem beliebtesten Album im Genre „Synthpop“ im März des Jahres 2024 suchen, wenn ich es darauf anlege.

Ich bekomme hier die besten Ergebnisse, wenn ich gezielt nach den Genres suche, die ich ohnehin schon gerne höre. Das ist dann kein echter Blick über den Tellerrand, aber manchmal möchte man gerne „more of the same sh … * hören und dann sind die dargebotenen Suchergebnisse recht praktisch. Zudem hält mich nichts davon ab, einfach mal in das hereinzuhören, was andere gerade toll finden. Da lohnt es sich auch mal ein Release anzuklicken, dass man ansonsten ignoriert hätte, oder von dem man gar nichts mitbekommen hat.

Album of the year Eine schöne Übersicht von praktisch allem, was so erscheint (Screenshot: Markus Daams / 2025)

Was magst du denn so?

Bisher ging es nur um Dienste, die mir Vorschläge auf Basis meines Hörverlaufes gemacht haben. Ich bin bei meiner Suche nach einem neuen „New Friday Music“ irgendwann auf „Gnoosic“ gestoßen. Es handelt sich um eine sehr einfache Website, die nicht viel Interaktion erlaubt. Die, die es erlaubt, kann es aber durchaus in sich haben. Je nachdem, wie weit weg man sich von Mainstream weg entwickelt hat.

Die Benutzung ist einfach: Man gibt drei Bands ein, die man bereits mag und lässt sich dann Vorschläge von Bands erstellen, die man vielleicht mögen könnte. Es ist möglich, die Tipps mit „Mag ich“, „Kenne ich nicht“ und „Mag ich nicht“ zu bewerten. Diese Bewertungen kommen in eine Datenbank und werden für zukünftige Tipps berücksichtigt. Der Clou ist, dass je mehr Menschen die Seite benutzen, desto besser werden die Vorschläge. Schwarmwissen für Musik.

Für mich hat die Seite am besten funktioniert, wenn ich die drei Bands aus demselben Genre genommen habe. Die Tipps muss man sich dann anderweitig anhören, zum Beispiel auf Spotify, das sich weiterhin (aktuell noch?) kostenlos nutzen lässt.

Gnoosic Suchmaske Suchen innerhalb desselben Genres funktionieren für mich am besten (Screenshot: Markus Daams / 2025)

Spotify! Spotify?

Auch wenn ich kein zahlender Kunde von Spotify mehr bin, nutze ich die Seite nach wie vor. Das hat zwei wichtige Gründe.

Wenn man wirklich viel Musik hört, viele Lieblingsgenres hat und sich nicht einmal auf ein Lieblingsjahrzehnt festlegen will, ist es schwer, den Bands und Künstlern zu folgen, die man wirklich gerne hört. Dass „Rise Against“ ein neues Album veröffentlicht hat, habe ich durch ein Plakat hier in der Stadt erfahren. So ging es mir auch mit den „Rival Sons“. Plakate sind aber keine Lösung, die das Prädikat „zuverlässig“ verdienen. Bei Spotify habe ich die Möglichkeit, Künstlern und Bands zu folgen. Neue Releases tauchen dann in der „Neues“ Liste auf. Ich muss sie nicht auf Spotify hören, ich muss nicht bezahlen, ich kann mich einfach informieren lassen. Das ist eine Funktion, die ich bisher nicht richtig ersetzen konnte. Also nutze ich sie erst einmal weiter.

Der zweite Grund für mein Weiternutzen ist, dass ich es weiterhin auch nutzen kann. In der kostenlosen Version muss ich einiges an Werbung ertragen. Wenn ich mir einen neuen Tipp von den anderen Seiten erarbeitet habe, kann ich ihn mir hier anhören. So laufe ich nicht Gefahr, eine Katze im Sack zu kaufen. Dafür ertrage ich zur Not auch Werbung, die ich natürlich geflissentlich ignoriere.

Das klingt aufwendig, oder?

Mein neuer „New Music Friday“ ist inzwischen ein „mach dir einen Tee und schaue mal, was es so Neues gibt … day“. Da mir kein Algorithmus mehr die Playlists automatisch erstellt, muss ich selbst Hand anlegen und mir selbst die Mühe machen, neue Musik zu finden. Dazu nutze ich regelmäßig die Dienste, die ich oben vorgestellt habe.

Dieses Vorgehen kostet mich natürlich einiges an Zeit. Es hat aber auch den interessanten Nebeneffekt, dass ich mich vielmehr mit der Musik auseinander zu setzen, die ich so höre. Anstatt mich von generierten Playlists berieseln zu lassen und zu hoffen, das bei den Vorschlägen von Spotify schon irgendwas Gutes dabei sein wird, suche ich nun aktiv selbst danach. Ich folge den Bands und Künstlern, die ich gerne mag und finde vergangene Releases und darüber neue Tipps und echte Geheimtipps. Es mag sich bei der folgenden Bewertung lediglich um anekdotische Empirie handeln, aber ich habe das Gefühl, dass sich mein musikalischer Horizont durch diese Mühe deutlich erweitert hat. Ich liefere mich nicht mehr den Algorithmen der Großkonzerne aus, sondern mache alles selbst. Oh ja, das ist echtes „F-Wort the System!“ – wenigstens ein wenig.

Ein kleines Fazit

Wer selbst hostet, gewinnt viel hinzu, vor allem Freiheit. Man verliert aber auch einige Dinge, an die man sich in all den Jahren allzu gerne gewöhnt hat. Für mich persönlich waren das die automatisch generierten Playlists von Spotify, besonders der „New Music Friday“. Diesen zu ersetzen, hat mich einiges an Mühe gekostet und tut es noch. Ich bilde mir aber aktuell es, dass es das wert war. Ich setze mich viel bewusster mit der Musik auseinander, die ich höre. Wie wenig ich doch über die hunderten von Sub-Genres von „Electronic“ wusste.

Ich bin sehr froh über die Gratis-Dienste im Internet, die mir bei meinem Vorhaben helfen, auch musikalisch in neue Welten aufzubrechen. Die Schwarmintelligenz schlägt noch sehr häufig und sehr deutlich den Algorithmus. Die Zeit, die ich hierin investiere, bekomme ich zurück, indem ich viel öfter auf Musik stoße, die ich tatsächlich höre, anstatt mich durch eine Playlist zu arbeiten, die zu 95 % aus Vorschlägen besteht, die ich nur sehr, sehr schwer nachvollziehen kann.

Bei der Recherche für diesen Artikel bin ich übrigens wieder auf ein paar tolle Tipps gestoßen. Ich werde mir chloe moriondo und Virginia Wing genauer anhören. Vielleicht ist ja der Tee das eigentliche Geheimnis.

Ressourcen

Noch einmal zur Übersicht:

This post is licensed under CC BY 4.0 by the author.