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Lieblingsfotos Part Quintus

Ich habe viel fotografiert. Nun stelle ich meine Lieblingsfotos vor.

Lieblingsfotos Part Quintus

Meine Lieblingsfotos - Fünfter Teil

Im vierten Teil meiner Lieblingsfotos führte meine Reise von Neuwerk nach Hamburg. In diesem fünften Teil führt die Reise in die Vergangenheit.

Es geht in einen Teil der Vergangenheit, den viele mit Einschränkungen und Verzicht verbinden. Es geht zurück in das Jahr 2020. Praktisch die ganze Welt befand sich in Quarantäne, weil sich ein Virus (Corona) rasend schnell ausgebreitet hat. Die meisten von uns saßen zu Hause und harrten der Dinge, die da wohl kommen mögen. Es waren wahrlich keine tollen Zeiten.

Diese Einleitung klingt nicht wirklich nach einem guten Auftakt für eine tolle Story, oder? Es wird aber eine, so viel kann ich schon einmal vorwegnehmen.

In dieser Geschichte geht es um eine verlorene Tochter, die wieder nach Hause gekommen ist. Für diesen einen Tag haben wir kollektiv das Wort „Quarantäne“ vergessen, um sie bei uns zu begrüßen.

Gemeint ist die Rückkehr der „Peking“ nach Hamburg, ihrem Heimathafen.

Eine lange Reise

Am 25. Februar 1911 lief bei der Hamburger Werft Blohm und Voss ein Schiff vom Stapel. Es handelte sich um eine Viermast-Stahlbark mit Namen „Peking“. Als Frachtschiffs sollte sie im Auftrag der Hamburger Reederei „F. Laeisz“ Salpeter aus Südamerika nach Europa bringen.

Diese Aufgabe hatte sie zunächst auch mit Bravour gemeistert, bis der Erste Weltkrieg ausgebrochen ist. Die Peking wurde zunächst in Südamerika festgesetzt und später als Reparationsleistung an Italien abgegeben. Da man dort aber keine Besatzung für so einen Segler stellen konnte, durfte die Reederei das Schiff wieder zurückkaufen. Bis 1932 unternahm die Peking weitere Fahrten nach Südamerika.

Durch die Weltwirtschaftskrise war die Reederei gezwungen, die Peking zu verkaufen. Eine Wohltätigkeitsorganisation aus England kaufte sie, benannte sie in „Arethusa II“ um und betrieb sie als Wohnschiff. Während des Zweiten Weltkrieges übernahm die Royal Navy das Schiff, benannte sie in „HMS Pekin“ [kein Tippfehler] um und nutzte sie ebenfalls als Unterkunft. Nach dem Krieg ging sie als „Arethusa II“ zurück an die ursprüngliche Organisation.

Die Reise geht erst wieder am 31. Oktober 1974 weiter. Die Peking wurde von der „J. Aron Charitable Foundation“ gekauft und diente fortan als Museumsschiff in New York. Immer wieder wurden Versuche unternommen, die Peking zurück nach Hamburg zu holen. Aber der Kaufpreis war stets zu hoch und die dafür nötigen Sponsoren zu wenig.

Die Peking wurde zunehmend sanierungsbedürftiger und durch Sturmfluten beschädigt. Die Stadt New York wollte jedoch kein Geld mehr in die Instandsetzung investieren und erklärte sich bereit, das Schiff für einen symbolischen Dollar zu verkaufen. Sollte sich kein Käufer finden, würde sie verschrottet werden.

Und hier nähern wir uns dem Happy End. Durch das Zusammenspiel vom Hafenmuseum Hamburg, mit Politikerinnen und Politikern des Bundestages und des Hamburger Senats konnte die nötige Summe aufgebracht werden, die Peking zurück nach Deutschland zu bringen, zu sanieren und als Museumsschiff zu betreiben. Dass die Überführung so teuer war, war dem Umstand geschuldet, dass die Peking nicht mehr segeln konnte. Tatsächlich war ihr Zustand so schlecht, dass sie im New Yorker Hafen zu versinken drohte.

Im Jahr 2017 wurde die Peking nach Deutschland gebracht und grundlegend überholt. Am 7. September 2020 kam sie zurück nach Hamburg, mitten im weltweiten Lockdown.

So viel zur Vorgeschichte.

Die Peking hinter der Branddirektor Westphal Hinter der Wasserfontäne der Branddirektor Westphal erkennt man schon die Masten der Peking (2020 / Markus Daams / CC0)

Schlechte Vorzeichen

Die Rückkehr stand unter keinem guten Stern. Zu Hochzeiten der Pandemie befanden sich praktisch alle Menschen in irgendeiner Art der Quarantäne. Die meisten von uns arbeiteten von zu Hause aus und verließen die Wohnung maximal für den Einkauf von Lebensmitteln.

Auch ich ging nicht davon aus, dass sich viele Menschen am Hafen versammeln würden und bereitete mich auf eine entspannte Fototour vor. Die Wasserschutzpolizei bat Begleitschiffe und Boote darum, auch auf der Elbe Abstand voneinander zu halten. Sicher war sicher.

Ich fand mich ein paar Stunden vor dem geplanten Einlauf auf dem Fähranleger Fischmarkt ein, suchte mir einen guten Spot und legte mir selbst Musik auf. Zur Feier des Tages gab es jede Menge Shantys. „Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn“ – das passierte nun in echt.

Die Peking läuft ein Die Peking passiert den Fähranleger Fischmarkt (2020 / Markus Daams / CC0)

In echt viel größer und schöner

Als Hamburger habe ich das Schicksal der Peking immer einmal wieder mitverfolgt. Als ich die ersten Bilder aus New York gesehen habe, tat es mir in der Seele weh, was aus diesem einst stolzen Schiff geworden ist. Um so mehr hatte ich mich gefreut, als die ersten Bilder der wieder instand gesetzten Viermastbark veröffentlicht wurden. Und dennoch war ich überrascht, wie groß dieses Schiff wirklich ist. Na klar, es handelt sich um einen Frachtsegler. Da muss schon was hineinpassen können.

Gegen 17 Uhr ging es auf meiner Höhe los. Als erstes bemerkte ich, wie viele Boote, Barkassen und Schiffe auf der Elbe unterwegs waren. So etwas kannte ich schon vom Hafengeburtstag. An diesem Tag hatte ich aber das Gefühl, dass alles, was auch nur halbwegs seetüchtig war, die Peking begrüßen wollte. Es kam nicht nur der Segler die Elbe herunter, es kam eine ganze Parade. Angeführt wurde sie von den beeindruckenden Monitoren der „Branddirektor Westphal“, einem Feuerlöschboot. Ich bin mir sicher, diese sind der Endgegner eines jeden Feuers.

Die Peking wird von Booten und Schiffen umschwärmt Die Peking wird von Booten und Schiffen umschwärmt (2020 / Markus Daams / CC0)

Quarantäne? Heute nicht…

Als das Feuerlöschboot vorbei war, lag der Wechsel des Objektivs an. Die Peking passte nicht mehr ins Bild und es wurde Zeit für ein paar Nahaufnahmen. Als ich mich dafür von meinem schon seit Stunden okkupierten Fotospot löste und umdrehte, hat mich ein wenig der Schlag getroffen. Nicht nur die Elbe brummte wie ein Bienenstock, inzwischen hatten sich tausende Menschen am Hafenrand versammelt. Selbst mein Fähranleger war rappelvoll und alle schauten gespannt dem Treiben zu. Und was das für ein Treiben war.

Es herrschte eine Atmosphäre wie an einem Hafengeburtstag. Die Luft bebte fast vor all den Hörnern der Boote und Schiffe, die die Peking Willkommen hießen, die Feuerwehr spiele zum Salut ihre Sirenen, während die Peking lautlos in ihren Heimathafen zurückkehrte.

Die Fontänen der Branddirektor Westphal zauberten noch einen Regenbogen dazu Die Branddirektor Westphal zauberten noch einen Regenbogen dazu (2020 / Markus Daams / CC0)

Es schien fast so, als hätte sich die halbe Stadt auf den Weg gemacht, um eine „verlorene Tochter“ der Stadt zu begrüßen.

Als sie schließlich direkt auf meiner Höhe war, kam mir ein Gedanke in den Sinn: „Was für ein schönes Schiff“. So etwas kommt mir bei heutigen Schiffen nicht mehr in den Sinn. Moderne Container- und Kreuzfahrtschiffe haben eines gemeinsam, sie verbreiten den Charme eines überdimensionierten Schuhkartons. Vorbei sind die Zeiten des Atlantikbugs und der geschwungenen Linien. Es musste eine 106 Jahre alte Dame vorbeikommen, um mir vor Augen zu führen, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt und oft nur noch ein Relikt der Vergangenheit ist, wenn es um die Seefahrt geht.

Ein alter Frachtsegler wurde von Hamburg begrüßt, wie ein Rockstar, der sein einziges Konzert gibt.

Ab den Landungsbrücken wurde es richtig eng für die alte Dame Ab den Landungsbrücken wurde es richtig eng für die alte Dame (2020 / Markus Daams / CC0)

Als ich dem Treiben auf der Elbe und dem Hafen zusah, hellte sich meine Laune auf. Nach Monaten in der Selbstisolation fühlte sich all das hier wieder einmal „normal“ an. Ich war sehr davon überrascht, wie viele Menschen der Einlaufparade beiwohnen wollten. Ich hätte nicht gedacht, dass das Schicksal der Peking die Menschen in Hamburg so berührte. An „stolzen“ Momenten mangelte es der Stadt bis dahin und tut es noch.

Aber da war sie nun. Da die Peking keinen eigenen Antrieb mehr hatte, sie kann leider keine Segel mehr setzen, wurde sie von Schleppern in ihre vorläufige Parkposition verholt. Sie konnte zwar wieder schwimmen, benötigte aber noch ein paar Umbauten, um ihren Dienst als Museumsschiff aufnehmen zu können.

Die Elbphilharmonie kennt die Peking noch gar nicht Die Elbphilharmonie kennt die Peking noch gar nicht (2020 / Markus Daams / CC0)

Warum das einige meiner Lieblingsbilder sind

In meiner Serie der Lieblingsbilder erkläre ich immer gerne, warum die Fotos zu meinen Lieblingsbildern gehören. Das muss ich dieses Mal etwas abwandeln. Die Fotos selbst sind gar nicht so toll geworden, wie ich es mir vorgestellt und gewünscht hatte. Das Licht war nicht so gut, ich habe die beeindruckende Wasserfontäne der Branddirektor Westphal am eigenen Leib erlebt und wirklich konzentriert hatte ich mich auch nicht.

Es waren die Erlebnisse dieses Tages, die diese Bilder zu meinen Lieblingen gemacht hat. Ich hatte das Schicksal der Peking ab dem Tag verfolgt, als New York bekannt gab, dass man sie verschrotten möchte, sollte sich kein Käufer finden. Nicht nur ich stellte sich die Frage, warum ein so legendäres Schiff nicht in seinem Heimathafen liegt. Wir haben es vielen Menschen und Institutionen zu verdanken, dass die Peking eine würdevolle „Rente“ antreten kann. Die „Flying P-Liner“, wie man die P-Schiffe (Peking, Passad, Padua usw.) nannte, haben teils tragische, aber auch beeindruckende Momente hinter sich. Bis heute sind es die schnellsten Frachtsegler der Welt und verdienen einen Platz in der Stadt, in der sie erdacht und teilweise gebaut wurden.

Ein weiterer Aspekt ist der, dass alle Menschen, die die Peking an diesem Tag Willkommen hießen, kollektiv beschlossen haben, die Pandemie für diesen einen Tag zu vergessen. Wir alle, die wir am Hafenrand standen und all jene, die mit ihren Booten und Barkassen unterwegs waren, haben einen Tag so getan, als wäre alles normal. Das war sicher nicht die klügste Entscheidung, aber es hatte sich einfach grandios angefühlt. Wir schuldeten es der „verlorenen Tochter“ an diesem Tag da zu sein. Ich war gerührt davon, wie viele Menschen der Stadt das genauso sahen.

Viele meiner Bilder sind mit Momenten und Erlebnissen verbunden. Es sind dann nicht immer die besten, aber für mich ganz besondere Fotos.

Willkommen zu Hause, Peking Willkommen zu Hause, Peking (2020 / Markus Daams / CC0)

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