Besser geht es mit Fedora
Meckern kann jeder. Dieser Artikel dreht sich um Fedora, meine Alternative zu Windows.
Bring back, the lovin’ feeling
Letzte Woche veröffentlichte ich meine Gedanken zu Windows. In diesem Artikel habe ich meine komplizierte Beziehung zu Microsoft Windows beschrieben. Danach bin ich noch auf diesen Artikel (Englisch) gestoßen, der Windows 7 zum „[…] last real desktop Windows“ kürte. Ich kann versichern, dass mein Artikel unabhängig davon erschien. Aber ich sehe hier eine Tendenz: Wir alten Männer und sicher auch Frauen verklären aktuell wieder die Vergangenheit. Windows 7 war für viele, wie auch für mich, ein tolles, schnörkelloses Betriebssystem. Aber auch damals was längst nicht alles Gold, was so vor sich hin glänzte.
Mir ist sehr wichtig, nicht über die aktuelle Situation rund um Windows zu meckern und die Vergangenheit mit Zuckerguss zu überschütten, denn das tun aktuell wohl viele, ich zähle mich da mit zu.
Daher will ich in diesem Artikel mein neues „Windows 7“ vorstellen: Fedora 42. Dieses Betriebssystem nutze ich auf meinem Haupt-PC schon länger. Ich habe es aber kürzlich auch auf meinem Laptop installiert und bin sehr angetan.
Warum das so ist, darum soll es hier gehen.
Alles ganz einfach
Auf die Installation von Fedora will ich nicht groß eingehen, denn im Internet finden sich zahllose Anleitungen dazu, wie man Linux auf jeder Art von Hardware installiert. Anmerken will ich nur, dass es unter Fedora noch einen kleinen Tick einfacher ging.
Nutzt man bereits Fedora, so kann man sich mit wenigen Klicks einen neuen USB-Stick erstellen, mit dem man dann die Installation auf einer anderen Maschine ausführen kann. Alternativ können natürlich die bekannten Tools wie Rufus, balenaEtcher und Co genutzt werden.
Fedora bringt ein eigenes Tool mit, um bootfähige Installationsmedien zu erstellen.
Mit dem frisch erstellten USB-Stick lässt sich Fedora im Live-Modus ausführlich testen, bevor man es installiert. Das habe ich getan, denn auch wenn ich lange keine Probleme mit Treibern unter Linux mehr hatte, kann man diese nie völlig ausschließen. WLAN, Bluetooth, Multi-Monitor-Unterstützung etc., ich arbeite meine kleine Liste ab, um sicherzugehen, dass nach der Installation alles läuft. In meinem Fall werden alle Hardwarekomponenten des LG-Gram von 2022 unterstützt.
Die Installation hat überdies keine 20 Minuten gedauert. Im Gegensatz zu Windows 11 muss man keinen Fragenkatalog zum Thema Datenschutz durchgehen. Den gibt es praktisch fest in Linux eingebaut.
Alles sehr übersichtlich
Nach der Installation legt man sein Benutzerkonto an und dann passiert – nichts. Keine Assistenten starten, im Startmenü findet sich keine Werbung und es ist keine Bloatware installiert. Als wäre dieses Betriebssystem ein Zen Meister, der auf seinen Auftritt gewartet hat und mich erst einmal entschleunigen will.
Während ich auf meinem Desktop-PC KDE nutze, habe ich mich für den Laptop für GNOME entschieden. Der Laptop dient mir hauptsächlich zum Medienkonsum. Daher will ich es einfach und schnörkellos haben. Also das genaue Gegenteil vom aktuellen Zustand von Windows.
Der GNOME Desktop von Fedora. Aufgeräumt und auf das Wesentliche beschränkt
Man findet hier die Design-Philosophie von Apples Mac OS wieder. Ein meiner Meinung nach geeignetes Vorbild, wenn man den Computer anhand der Bedürfnisse von Menschen ausrichten will und weniger von Konzernen. Ich schweife mal wieder in die Kritik am Turbo-Kapitalismus ab.
Dennoch muss ich ein wenig umdenken, denn bisher bin ich das Bedienkonzept von Windows gewohnt, welches ich so ähnlich auch in KDE vorfinde. Aber da jedem Anfang bekanntlich ein Zauber innewohnt, mache ich mich auf den Weg.
Ein schnelles Schnellmenü
Es gibt ein Gefühl bei mir, für welches es kein geeignetes Wort gibt. Es ist ein Zustand zwischen „schade, dass das nicht besser gelöst wurde“ und „man, das nervt“. Der Tray von Windows löst genau dieses Gefühl aus. Eine WLAN-Verbindung kann ich zügig einrichten, aber will ich mal eben eine Bluetooth-Verbindung herstellen oder überprüfen, geht es auf eine Rundreise durch die Menüs von Windows. Dazu versteckt sich Bluetooth hinter einem kleinen Haken, hinter welchem sich dann gleich noch mehr Programme und Apps finden lassen, die automatisch mit starten.
Dieses Gefühl habe ich auf meinem neuen GNOME-Desktop nicht. Es ist alles da, wo ich es mir wünsche, wo ich es einfach erwarte.
Alles, was ich brauche, ist genau einen Klick entfernt.
WLAN, Bluetooth, aller Verbindungen, die ich brauche, sind ruckzuck hergestellt.
Genauso schnell habe ich Updates über das Software-Center installiert, im welchem ich auch neue Programme installieren kann. Das ist klug gelöst, denn unter Windows sind die Updates für das Betriebssystem in einem anderen Menü untergebracht.
Und es bleibt so übersichtlich
Der Kalender in Windows war mal richtig toll. Mit einem Klick in den Tray habe ich aktuelle Termine und anstehende Feiertage gesehen. Dieses Feature habe ich gerne und viel genutzt, besonders auf der Arbeit, wo sich Meetings an Meetings reihen können. Leider wurde es eines Tages einfach gestrichen. Ich habe nie erfahren warum. Ich fand dann die Lösung im Microsoft-Forum: Man solle das Kalender-Widget in der Widget-Übersicht verwenden. Das Problem war nur, dass ich diese Widget-Übersicht abgrundtief gehasst habe, denn sie war voller Werbung und einem Newsfeed aus dem siebten Kreis der Clickbait-Hölle.
Wende ich mich aber meinem Zen Meister Fedora zu, bekomme ich, wonach es mich dürstet. Ein auf das Nötigste reduziertes Information-Center.
Alles Wichtige auf einen Blick.
Ich finde hier alle Informationen, die ich mir wünsche, direkt auf einen Blick, hinter einem Klick. Mein Kalender ist wieder so, wie ich ihn mal hatte. Ein kleiner Indikator zeigt mir einen Termin an und mit einem Klick sehe ich die Details. So einfach kann es sein und das setzt sich überall fort.
Ein Betriebssystem bringt naturgemäß einen großen Haufen an verschiedenen Einstellungen mit. Über die Jahre sind das immer mehr geworden, denn die Hardware wurde mehr und die Welt mit dem Internet immer größer.
Damit war und ist es für die UI / UX Designer dieser Welt die größte Herausforderung, all das unter einen sinnvollen Hut zu bringen. Windows hat für mich an dieser Stelle versagt, aber nicht mit Absicht. Microsoft musste stets die Interessen von Kunden und Unternehmen vereinen. Es musste also einfach sein, ein neues USB-Gerät zu installieren und es musste einfach sein, ODBC-Datenbanktreiber zu laden, weil dies viele Unternehmen eben brauchten. Dadurch schleppt Windows viele Altlasten mit sich herum. Die Windows 3.1 Menüs unter Windows 11 sind keine Legende, es gibt sie wirklich (Link zu Youtube / 1:47min).
Linux hatte stets den Luxus, mit einem weißen Blatt Papier starten zu können. Wem der aktuelle Desktop nicht passte, konnte sich selbst etwas Neues programmieren. Kennt Windows genau einen Desktop, gibt es für Linux … Moment … KDE, GNOME, XFCE, Cinnamon, Fluxbox, Lumina, Lxde, FVWM … puh … eine ganze Latte. Jeder dieser Desktops kommt mit einer eigenen Design-Philosophie daher. Die meisten haben gemeinsam, dass sie das Arbeiten mit dem Computer übersichtlich und produktiv gestalten wollen.
Alle wichtigen Einstellungen auf einen Blick in einem Menü.
Die Systemeinstellungen unter GNOME sind ebenfalls nur einen Klick entfernt, teilen sich in sinnvolle Untermenüs auf und sind selbsterklärend. Ich merke für mich, dass man die Komplexität der Menüs bewusst reduziert hat, weil man weiß, dass man hier einfach nicht so viel Zeit verbringen will. Ich will mich nicht so viel in Menüs herumtreiben, sondern spaßige Dinge tun wie Katzenvideos schauen oder mit Fremden Menschen sachlich aktuelle politische Themen auf den Social Media Plattformen dieser Welt erörtern.
Ist wirklich alles so toll?
Ich habe in mir immer mal wieder den widersprüchlichen Wunsch, etwas völlig Neues zu wollen, ohne mich groß umgewöhnen zu müssen. Aber so funktioniert die Welt leider nicht. So musste ich unter GNOME ein paar Dinge neu lernen, von denen ich nicht wusste, dass ich das brauchte.
Ein Beispiel: Der Rechtsklick auf meinem Touchpad ging nicht mehr. Klingt erst mal lustig und meine erste Reaktion war (leider): „Ach man! Typisch Linux. Da ist was falsch konfiguriert“. Also mache ich einen Klick auf das Action-Center → Einstellungen → Maus und Tastenfeld. Und siehe da, dieses Verhalten war so gewollt. Eine Grafik in diesem Menü zeigt mir an, was ich tun muss. Der Rechtsklick wurde durch Tippen mit zwei Fingern ersetzt. Ein Finger ist der Linksklick und zwei Finger der Rechtsklick. Ich habe es sofort ausprobiert und fand es praktisch. Ich kann das traditionelle Verhalten per klassischem Rechtsklick wieder herstellen, sollte ich es wollen. Will ich aber nicht mehr. Ich ändere mein angelerntes Verhalten, weil ich dadurch ein kleines bisschen mehr Komfort bekomme.
Übrigens: Schließe ich eine Maus an, ändert sich dieses Verhalten wieder auf die klassische Bedienung.
Und wo ist eigentlich die Takleiste hin?
Taskleiste, Tasks und Desktop finden sich alle in diesem Menü.
Auch hier hat man sich Gedanken gemacht und ist augenscheinlich zu einer anderen Lösung gekommen, als die Software-Spezialisten in Redmond. Die Taskleiste ist nicht mehr dauerhaft sichtbar. Auch hieran musste ich mich erst gewöhnen, aber mir wurde schnell klar, warum das so ist.
Die wichtigsten Informationen finden sich in der oberen Leiste. Uhrzeit, Datum, Verbindungsstatus usw. habe ich da immer im Blick. Da die Taskleiste also nur noch ein Menü zum Starten von Programmen ist, muss sie nicht mehr dauerhaft eingeblendet sein. Aber wo finde ich sie nun? Es gibt in GNOME (von Fedora) eine Übersicht, die ich per Switch rechts oben, oder einfach mir drei Fingern auf dem Touchpad erreichen kann. In dieser Übersicht finde ich nicht nur die Taskleiste wieder. Ich sehe meine offenen Fenster und kann mit einem einfachen Swipe einen neuen Desktop öffnen, um hier separat neue Fenster zu öffnen. Alles ganz intuitiv und schnell. Auch hier musste ich mich kurz umgewöhnen und würde die Einfachheit wohl in Zukunft vermissen.
Mein persönliches Fazit
Fedora 42 mit Gnome fühlt sich auf meinem LG-Gram einfach toll und geschmeidig an. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass verschiedene Linux Distributionen dazu neigen, einige Ecken und Kanten zu haben. Das ist für mich aber hier nicht der Fall. Dafür gibt es zwei Gründe.
Der erste Grund ist, dass Linux und insbesondere die verschiedenen Desktops inzwischen ausgereift und erwachsen sind. Projekte wie KDE und GNOME wurden von Einzelpersonen gestartet, scharrten aber mit der Zeit immer mehr Personen um sich. Auch begannen viele verschiedene Unternehmen solche Projekte zu unterstützen, sei es durch Spenden, oder die Bereitstellung von Peoplepower (Manpower allein trifft es nicht mehr). Mit der Größe der Projekte kam es auch zu einem immer höheren Grad an Professionalisierung, die dann in die Produktentwicklung einfloss. Die Ergebnisse erleben wir heute.
Der zweite Grund ist, dass ich etwas ruhiger geworden bin. Ich habe früher gerne im System herumgebastelt, aus purer Neugier, oder weil es hin und wieder einfach notwendig war. Dabei kam etwas zum Tragen, was eine große Möglichkeit, oder ein großes Problem ist, je nach Skillset. In Linux kann man es ordentlich krachen lassen. Mit genügend Vorsatz und / oder Unvermögen, kann man zur Laufzeit alle wichtigen Systemdateien zerlegen, ohne dass es den in dem RAM geladenen Kernel stört. Die Ergebnisse bekommt man beim nächsten Reboot präsentiert. Aus dieser Phase bin ich inzwischen weitgehend raus. Ich wünsche mir ein System, das funktioniert und nicht nervt und Fedora liefert genau das.
Viele Dinge laufen unter Fedora für mich besser. Die Liste dieser Dinge ist lang.
- Das Energiemanagement arbeitet besser auf meinem Laptop, besonders im Standby
- Ich habe keine Probleme mehr mit meinen Bluetooth-Geräten
- Ich finde mich in den Menüs schneller zurecht
- Die grafische Oberfläche fühlt sich, ganz subjektiv, fluffiger an
- Datenschutz. Überall geschützte Daten. Fedora funkt nichts in die Welt
- und noch so vieles mehr
Fedora macht die Dinge richtig, die ich unter Windows vermisse. Ich will mich aber nicht dazu hinreißen lassen, es das bessere Betriebssystem zu nennen. Es ist einfach anders. Ich will Windows auch nicht aufgeben, sondern hoffe, in Redmond lässt sich von der Welt des Pinguins inspirieren und anspornen. Das beste Betriebssystem ist schließlich das, welches sich nach den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen richtet.
Kleiner Disclaimer
Es gibt noch zahlreiche andere, sehr empfehlenswerte Linux-Distributionen. Einige davon habe ich benutzt und fand sie ebenfalls toll. Daher soll meine kleine Jubel-Arie hier keine Werbung sein, sondern einfach ein Erfahrungsbericht. Generell ist mein Tipp, sich seine Anforderungen an ein Betriebssystem zu überlegen und dann auf die Suche nach der geeigneten Distribution und Desktop-Oberfläche zu gehen. Dank Youtube kann man sich einen soliden ersten Eindruck verschaffen. Und kann die Distribution im Live-Modus gebooten werden, ist auch noch ein Zweiteindruck möglich.
Mir ist auch sonnenklar, dass sich KDE inzwischen Plasma nennt. Bei genau dieser einen Sache bleibe ich aber so flexibel wie ein staubtrockener Holzzweig. Ich habe es unter dem Namen KDE – damals stand es für Kool Desktop Environment – kennengelernt und das sitzt nun. Man sehe es mir nach.